Rot-Grüne und inzwischen auch schwarze Verkehrsbeglücker des Berliner Senats arbeiten mit Hochdruck daran, eine Straßenbahn durch Moabit zu bauen. Vom Hauptbahnhof bis zur Kreuzung
Alt-Moabit/Invalidenstraße ist sie schon vorgedrungen. Jetzt wird die weitere Wegführung vorbereitet: entweder auf Alt-Moabit (vielleicht unter Opferung eines Teils des Kleinen Tiergartens) bis
zur Stromstraße und weiter zum U-Bahnhof Turmstraße, oder über die Rathenower Straße zur Turmstraße und diese entlang Richtung U-Bahnhof. Was in jedem Falle dabei auf der Strecke bliebe, wäre die
Anbindung Moabits durch die U5.
Verkehrlich haben U- und Straßenbahn durch Moabit unterschiedliche Zielgruppen: Die U-Bahn sorgt für die schnelle Anbindung Moabits an Hauptbahnhof, Regierungsviertel, Unter den Linden und den
Alexanderplatz und weiter in Richtung Friedrichshain. Die Straßenbahn bedient dagegen nur den Moabiter Innerortsverkehr bis zum Hauptbahnhof. Der direkte Verkehrsbedarf von Moabit für die weitere
Tramtrassenführung Richtung Pankow wird für vergleichsweise gering eingeschätzt. Regierungsviertel, Unter den Linden und Alexanderplatz wäre mit Tram nur durch Umsteigen am Hauptbahnhof in die
dortige U5/55 oder Stadtbahn zu erreichen. Der unerträgliche gegenwärtige Zustand, daß man vom Moabit nördlich der Turmstraße das Regierungsviertel schneller zu Fuß als mit dem ÖPNV erreicht,
bliebe jedenfalls bestehen.
Die FDP Tiergarten fordert seit Jahren, der U5-Verlängerung zumindest bis zum U-Bahnhof Turmstraße – in dem die Bahnhofsröhre für die U5 über der tiefer liegenden U9 schon eingebaut
ist – Vorrang einzuräumen: Sie steht bereits im vordringlichen Bedarf des Flächennutzungsplanes, und die Strecke ist relativ kurz. Derzeit ist der extrem kostspielige Abschnitt
Alexanderplatz-Hauptbahnhof in Bau und teilweise schon in Betrieb. Der durchgehende Verkehr vom Hauptbahnhof über Regierungsviertel, Alexanderplatz und Friedrichshain bis Hönow soll 2019 eröffnet
werden. Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt soll nun die Straßenbahn den U5-Weiterbau bis zur Turmstraße verhindern!
Straßenbahnen gelten den einen als ökopolitisch schickes Verkehrsmittel, die anderen beklagen vor allem die extrem hohen tödlichen Unfallzahlen mit Radfahrern sowie den Flächenbedarf auf
Straßenniveau. Konsens herrscht, daß die Tram auf breiten Straßen mit eigener separater Trasse deutlich leistungsfähiger als der Busverkehr und deutlich günstiger als die U-Bahn zu bauen und zu
betreiben ist. Weder über Alt-Moabit noch über die Turmstraße ist jedoch eine solche separate Trasse möglich.
Zudem konkurriert die Tram hier mit der seit fast einem Jahrhundert geplanten U5-Verlängerung – nicht nur deshalb, weil Gelder, die für eine Straßenbahn ausgegeben werden, für die (teurere)
U-Bahn fehlen, sondern weil eine Straßenbahn – besonders, wenn sie über Rathenower und Turmstraße geführt wird – für den U-Bahnbau zusätzlich wieder abgerissen werden müßte – oder die U-Bahn
müßte statt in der viel billigeren offenen Bauweise im ungleich teureren geschlossen Tunnelvortrieb errichtet werden. Das ist angesichts der Finanzlage ausgeschlossen.
Auch zwanzig Jahre nach der deutschen Einheit ist Moabit – außer am Südrand durch die Stadtbahn – in Ost-Westrichtung vom Schienennahverkehr ausgeschlossen. Ein Verzicht auf die relativ kurze
U5-Strecke zwischen Turmstraße und Hauptbahnhof würde die andauernde Abkoppelung der Wohngebiete Moabit und Charlottenburg-Nord von der Stadtentwicklung bedeuten. Angesichts der jetzt schon am
Hauptbahnhof sich ballenden Menschenmengen ist zudem die Idee, diese durch einen dortigen Zwangs-Umsteigeverkehr von einer Straßenbahn aus Moabit zu U5 signifikant zu steigern, wenig
überzeugend.
So schön der Inner-Moabiter Ortsverkehr mit der Straßenbahn vielleicht wäre – die direkte Anbindung an die Stadt(mitte) ist sehr viel dringender! Tausende von Arbeitsplätzen im Regierungsviertel
sind ebensowenig für Moabiter Anwohner mit angesichts der geringen Entfernung vertretbarem Zeitaufwand mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen, wie die Gäste der zahllosen Moabiter Hotels
und Hostels die Hauptsehenswürdigkeiten der Stadt schnell und ökologisch verträglich erreichen können. Die chronisch überfüllte TXL-Linie mit ihren noch immer zu selten verkehrenden Bussen und
den darin herrschenden chaotischen bis aggressiven Zuständen sollte eigentlich Hinweis genug sein, daß die seit rund einem Jahrhundert aus guten Gründen geplante und immer wieder in der
Verkehrsplanung bestätigte umsteigefreie Ost-West-Verbindung dringend erforderlich ist!
Nach einem U5-Lückenschluß zwischen Hauptbahnhof und U9 Turmstraße kann man sinnvoll über eine Straßenbahn diskutieren – vorher nicht!
von Dr. Kurt M. Lehner