Sparen, sparen - bis die Schwarte kracht

Die Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Berlin-Mitte am 23. Mai 2013 zeigte wieder einmal die Unfähigkeit unserer Kommunalpolitiker, chaotische Zustände zu vermeiden. Einziger Gegenstand der Sondersitzung war eine vom Bezirksamt eingebrachte Vorlage zur Beschlussfassung, Drucksachen-Nr. 0884/IV "Untersetzung der Abbauvorgabe Vollzeitäquivalente (VZÄ) für den Zeitraum 2012 bis 2016". Die Senatsverwaltung für Finanzen und der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses schreiben dem Bezirk den Abbau von 223,4 Vollzeitäquivalenten oder rund elf Prozent der Arbeitsplätze vor. Wenn der Bezirk nicht bis zum 30. Juni 2013 dem Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses über die Konkretisierung seines VZÄ-Abbaukonzeptes berichte, würden erneut Einschränkungen für die Einstellung von Personal und für die Übernahme von Auszubildenden drohen.

Der vorgelegte Plan sieht den Abbau von 76,8 Vollzeitäquivalenten durch Effizienzsteigerungen vor. Weitere 20,75 VZÄ sollen hauptsächlich durch Aufgabenstreichung oder Fremdvergabe von nicht gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen des Bezirksamtes entfallen. Der Abbau der restlichen 125,85 VZÄ erfolgt mehr oder weniger nach dem Rasenmäherprinzip, mit leichten Schonungen einiger Bereiche als eine Art politischer Schwerpunktsetzung.

 

In der Aussprache begründete Bezirksbürgermeister und Finanzstadtrat Christian Hanke (SPD) die Vorlage des Bezirksamtes als alternativlos und betonte, wie wichtig es sei, dadurch die Personalhoheit nun unbefristet zu erhalten. Der nächste Redner, Thilo Urchs (Die Linke), kritisierte das Fehlen politischer Schwerpunktsetzungen und einer Berücksichtigung der Auswirkungen des Stellenabbaus auf die Bürger, das Personal und den Haushalt. Der dritte Redner, Marc Urbatsch (Bündnis 90/Die Grünen), warf der Zählgemeinschaft von SPD und CDU Versagen vor, weil sie auf Senatsebene oder mit anderen Bezirken keinen Widerstand gegen die willkürlichen Stellenstreichungen organisiert habe ("Mehr wäre möglich"). Er rief zum Boykott der Abstimmung auf und gab damit das Stichwort zu einem theatralischen Auszug der Oppositionsfraktionen (Grüne, Linke, Piraten) aus dem BVV-Saal. In einem Seiteneingang neben dem Podium erschienen Verordnete in Trauerkleidung, die feierlich einen schwarzen Sarg mit der Aufschrift "R.I.P. Mitte. Der Senat spart die Bezirke tot!" quer durch den Saal und durch den Haupteingang hinaustrugen. Der Sarg war mit Zetteln beklebt, die negative Folgen des Stellenabbaus für die Bürger anprangerten (z.B. "mehr ungepflegte Grünanlagen", "Sportwarte weg: Betreuungsqualität sinkt", "weniger Säuglingsbesuche", "monatelanges Warten auf WBS", "Beratung im 5-Minuten-Takt", "Wohnungsbau im Schneckentempo", "trockene Kinderplanschen", "Maxi & Schnute machen Spielhallenkontrollen", "Privatisierung statt Qualitätsverbesserung").

Was dann folgte, war ebenfalls bühnenreif. Herr Urchs (Die Linke) stellte den Antrag auf Feststellung der Beschlussfähigkeit, aber ausgezählt wurde nicht, sondern auf Antrag von Herrn Reschke (CDU) wurde die Sitzung unterbrochen, "um der CDU-Fraktion Gelegenheit zu einer kurzen Fraktionssitzung zu geben". Es gelang der CDU, zwei fehlende Verordnete herbeizuzitieren, denen jedoch ihr beeinträchtigter Gesundheitszustand anzusehen war. Damit war die BVV wieder beschlussfähig, und die SPD- und CDU-Verordneten stimmten der Vorlage des Bezirksamtes, dem Stellenabbau zu.

Fazit: Inhaltlich ein Armutszeugnis für die Kommunalpolitik in Mitte; Form und Verlauf sorgten jedoch für eine gewisse Unterhaltungsqualität.

 

Bericht von Peter Lundkowski und Donald Tuckwiller